Ausstellung „The Gasping Society“ Angermuseum Erfurt bis 14.11. – 22.01. 2017

 

 

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Der Kreis, den die Menschheit auszulaufen hat,
ist bestimmt genug, und ungeachtet des großen Stillstandes,
den die Barbarei machte,
hat sie ihre Laufbahn schon mehr als einmal zurückgelegt.
Will man ihr auch eine Spiralbewegung zuschreiben,
so kehrt sie doch immer wieder in jene Gegend,
wo sie schon einmal durchgegangen.
Auf diesem Wege wiederholen sich
alle wahren Ansichten und alle Irrtümer.

J.W.v.Goethe (1749 –1832)

Eros, Tusche auf Papier, 70 x 50 cm, 2015

 

Bis zum 22. Januar 2017 läuft meine Ausstellung „The Gasping Society“ im Angermuseum Erfurt. Gezeigt werden Arbeiten aus der zwischen 2015 und 2016 entstandenen gleichnamigen Serie sowie die druckgrafischen Serien „A Rake´s Progress“ und „Hey! The Tragic Life of desperate Artbitches“.

First Love, Tusche auf Papier, 70 x 50 cm, 2015

 

Die Arbeiten aus der Serie „Gasping Society“ beschäftigen sich mit dem Verlust von Werten, dem Wandel von Gerechtigkeit in Selbstgerechtigkeit und der Verlorenheit von Menschen in einem komplexen System. Sie spiegeln eine Gesellschaft wider, deren Aktionen, eine innere und äußere Ordnung und Struktur aufrecht- zuerhalten, immer häufiger dem Bild einer »Schnappatmung« ähneln und den Wiederbelebungsübungen an einer Testpuppe gleichen.

 

Odessa Bar, Tusche auf Papier, 70 x 50 cm, 2016

 

Die Beziehungslosigkeit der Menschen untereinander ist das zentrale Motiv der Serie: selbst in sich gefangen und unfähig zu lieben, krümmt und verrenkt sich der Gnom in seinem Wunsch nach echter Zuwendung und Verständnis. Eros reißt Herzen in kleine Stücke. Ein Mädchen im unablässigen Selbstoptimierungs-Wahn übt stundenlang die perfekte Pose für Instagram. Leere Augen erblicken die eigene Verlorenheit. Die Nächte bleiben beziehungslos wie das Licht der Straßenleuchten…

 

Instagram Pose, Tusche auf Papier, 70 x 50 cm, 2015

 

In ständigen Widersprüchen zwischen generierten Bedürfnissen und wahrer Dringlichkeit, Leistungsdruck und Antriebslosigkeit, Freiheits- und Sicherheitsstreben, Überinformation und Unwissen, Lust und Unlust bauen sich unaufhaltsam Spannungen auf. Trotz zunehmender Möglichkeiten einer Entlastung wird der Handlungsraum immer enger – »Gasping Society«. Die Wiederbelebung als letzte Option.

 

Moritzplatz, Radierung, Tusche und Pastell, 2016

 

Junior, Tusche auf Papier, 70 x 50 cm, 2016

 

Nick, Tusche auf Papier, 70 x 50 cm, 2015

 

„Ulrike Theusner zeichnet bunte Vögel, Sonderlinge oder moderne Romantiker. Sie geben sich partyfest und körperbetont, sind als mo­derne Nomaden global unterwegs und experimentieren mit unterschiedlichen Identitäten – moderne Stutzer, die dem Exhibitionismus der sozialen Netzwerke ebenso frönen wie den Partydrogen. Ulrike Theusner zeichnet sie als bunte Vögel und Sonderlinge, moderne Romantiker, soziale Rollenspieler oder in statusbetonter Statuarik, stets selbstbezogen und beziehungsuntauglich, leidend an grassierender Unverbindlichkeit und deshalb existenziell gefährdet. Die Porträts ihrer neuen Serie sind individuell und verkörpern zugleich soziale Typen – darin den foto­grafischen Porträts nahe, die August Sander in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts schuf und 1929 program­matisch unter dem Titel Antlitz der Zeit veröffentlichte.
In diesem Sinne könnte man in der Serie Gasping Society eine moderne Antwort auf Sanders Opus magnum sehen: Men­schen des 21. Jahrhunderts. Dazu treten Figuren, die sym­bolisch für den aktuellen, neoliberalen Way of life stehen, das allgemeine Fressen und Gefressen-werden auf dem Weg zum Platz an der Sonne oder zu den fünfzehn Minuten Berühmtheit, die Andy Warhol jedem von uns zubilligte.
So spontan entstanden die Zeichnungen von Ulrike Theusner auch wirken, sie offenbaren ihr Gespür für subjektive Befindlichkeiten, ihren Blick für soziale Differenzen und den rasanten Wertewandel in den zwischenmenschlichen Verhältnissen – und ihre Intention, diese Welt, die aus der Balance gekippt scheint, mit einer gleichsam veristischen Intensität zu porträtieren.“

Kai-Uwe Schierz

 

Ausstellungsansicht Angermuseum, Radierungen „Gasping Society“

 

Ausstellungsansicht Angermuseum „Gasping Society“

 

Ausstellungsansicht Angermuseum, Radierungen „Hey! The tragic Life of desperate artbitches“

 

Ausstellungsansicht Angermuseum „Gasping Society“

 

 

Ausstellungsansicht Angermuseum, Rundumblick „Gasping Society“

 

Anläßlich zur Ausstellung ist eine 62seitige Broschur im Jalara Verlag erschienen, die sämtliche Abbildungen der Serie und begleitende Texte enthält:

 

 

Am Dienstag, den 13. Dezember, findet im Angermuseum Erfurt ein Künstlergespräch mit einer anschließenden Führung durch die Ausstellung statt. Der Beginn ist um 18 Uhr.

 

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© Fotos: Ulrike Theusner, Dirk Urban, Elisa Demonki