56. VENEDIG BIENNALE 2015 – TEIL 1: Giardini

 

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Am 9. Mai diesen Jahres eröffnete die 56. Biennale dell´Arte in Venedig. „All The World´s Futures“ ist der Titel der diesjährigen Biennale, kuratiert von Okwui Enwezor, der seit 2011 das Haus der Kunst in München leitet. Mit 89 Länderpavillons und etlichen Nebenausstellungen ist sie die größte und wichtigste Kunstausstellung des Jahres.  Während der Preview-Tage vom  5. bis 8. Mai  war ich zu Gast in der Lagunenstadt und bekam einen kurzen Einblick  in eine unglaublich dichte, fordernde, zeitkritische Biennale, die absolut sehenswert ist. Bis zum 22. November läuft sie noch und Besucher sollten vor allem eines mitbringen: Zeit.

Adrian Piper, Everything will be taken away

 

„Los Sujetos“ im Spanischen Pavillon

 

„Wir leben in einer Zeit tiefer Fragmentierung, die uns davon abhält, das Gesamtbild zu sehen“ (Okwui Enwezor)

„Entschleunigung“ fordert Enwezor von den Besuchern: „Wir kommen nicht mehr weit, wenn wir die Kunst als Schmuck begreifen. Das Element der Zeit tritt zunehmend als Notwendigkeit auf. Wir müssen uns die Zeit nehmen, um etwa die vielen Videoarbeiten in ihrer Komplexität zu erfassen.“ Auch Performances zwingen den Betrachter zum Innehalten. So wird stundenlang aus Karl Marx´ Kapital gelesen, das laut Enwezor “ nicht einfach, aber gegenwartsrelevant“ ist :  „Wir dürfen zugleich nicht vergessen, dass Karl Marx’ Analyse heute dringlicher denn je benötigt wird. Dem Hyperkapitalismus des Kunstmarkts stelle ich „Das Kapital“ entgegen. Ich stelle Ideen aus, nicht Waren.“ Die Ausstellung soll den Besucher fordern, erschöpfen, ihn dazu auffordern, seiner Intuition zu folgen und sich zu fokussieren. Wer sich nicht auf die Werke einlässt, kann der Ausstellung leicht „Salonkommunismus“ vorwerfen:

„Was hat ein elitäres Event wie die Venedig – Biennale mit Karl Marx zu tun“  steht  vorwurfsvoll  auf einem Flugblatt, dass an einem Laternenpfahl zwischen den Giardini und einigen ankernden Luxusyachten angebracht ist. Der Widerspruch zwischen zeitkritisch- reflektierenden Kunstwerken und dem gebündelten Finanzkapital kann zu den Preview-Tagen kaum größer sein. Neben den 26.000  geladenen Pressevertretern, Kuratoren, Museumsdirektoren und Künstlern reisen vor allem die finanzträchtigen Entscheidungsträger an,  die glamouröse Elite  des Kunstbetriebes:  russische Oligarchen, saudiarabische Prinzen, Sammler, Galeristen, Hollywoodstars. Die Luxushotels sind schon Monate vorher ausgebucht, oder man nimmt gleich die Yacht.

Geld und Kunst gehen Hand in Hand – eine Kunstproduktion ist ohne den Markt nicht möglich. Bleibt zu fragen, inwieweit der Künstler in der Lage ist, ein Gesellschaftssystem  unabhängig und kritisch zu reflektieren und in Frage zu stellen, von dem er am Ende selbst profitiert. Antworten kann man auf der Biennale finden. Während der Eröffnungs-Tage allerdings werden die Ausstellungshallen eher zügig durchschritten und die Werke flüchtig betrachtet. Den meisten Besuchern ist es an diesen Tagen am Wichtigsten, selber gesehen zu werden und am Abend auf den richtigen Parties zu landen.

Während sehr teure und aufwendige Parties gefeiert werden und allein die Anlegestelle einer Yacht 50.000 Euro Miete am Tag kostet,  bleibt die Biennale dennoch eine unterfinanzierte Ausstellung.  „Bemerkenswert ist, dass der starke Kapitalfluss in der Kunstwelt  nicht ganz zu den mangelnden Ressourcen für diese Ausstellung paßt.“  bemerkt Enwezor im Monopol Magazin mit dem Zusatz,  dass er  in Zukunft keine Biennalen mehr kuratieren wird.

GIARDINI

Fast ein Drittel der Länderpavillons befindet sich in den Giardini.  Als „Gärten der Unordnung“ – einen Ort „verfehlter Utopie“  bezeichnet sie Enwezor. Sie sind eine Zustandsbeschreibung zur Lage der Dinge –  die Beschreibung einer Zeit , die geprägt ist von Unsicherheit und Fragilität. „Die Giardini sind eine Untersuchung über die Flüchtigkeit der Gegenwart, die Flüchtigkeit des Konzepts der Nationalstaaten wie auch die Flüchtigkeit geopolitischer Beziehungen.

 

Ivan Grubanov zeigt im Serbischen Pavillon zusammengeworfene Flaggen nicht mehr existenter Länder.

 

Im rumänischen Pavillon sind die düster-suggestiven Arbeiten von Adrian Genie zu sehen,

 

Olaf Nicolai´s Bumerang-Werkstatt auf dem Dach des deutschen Pavillons. „Fabrik“ heißt der von Florian Ebner kuratierte Pavillon.

 

Im japanischen Pavillon erinnert Chiharu Shiota´s Installation „Keys in your hand“ an das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer – aus den verrotteten Booten steigen tausende Schlüssel an blutroten Fäden auf.

 

„Canadassimo“ Im Kanadischen Pavillon entdeckt man neben einem nachgebauten „Corner Store“ u.a. die Malerwerkstatt das Künstler-Trio BGL

 

Die grell flirrenden Komplementärfarben machen es einem schwer, den Blick zu schärfen. Eine Arbeit der Moskauer Konzeptkünstlerin Irina Nakhova im russischen Pavillon.

 

Sarah Lucas Beitrag „Scream Daddio“ im Britischen Pavillon, eine Skulpturen-Installation bestehend u.a. aus Gipsfiguren mit Zigarettenstummeln in diversen Körperöffnungen, ist eher langweilig als schockierend.

 

„Our Product“ – Pamela Rosenkranz füllt den Schweizer Pavillon mit einer rosa blubbernden Wassermasse. Ein wunderbar suggestives Bild, doch der Ausstellungstext bleibt rätselhaft: „In Our Product wird der Körper zum Ort der Konstruktion des Humanen“. Aha.

 

„Rapture“ – Skulptur und Sound Installation von Camille Norment im Nordic Pavillon.

 

„Your mother sucks cocks in Hell“  – Danh Vo im Dänischen Pavillon.

 

 

Im Griechischen Pavillon entdeckt man die Pelzfabrik von Maria Papadimitriou. Gehäutete und ausgestopfte Tiere, Felle die zum Trocknen hängen – angesichts der aktuellen Situation Griechenlands kann man in dieser Installation die Verwundbarkeit eines „gehäuteten Landes“ nachempfinden – Profit macht am Ende nur der Pelzhändler.

 

Einen Ruhepol gibt der  Swatch – Pavillon. In einem abgedunkelten Raum leuchten paradiesische Pflanzen. „The Garden of Eden“ von Joanna Vasconcelos.

 

Herman de Vries im Niederländischen Pavillon: Die gerahmten Farbflächen bestehen aus verschiedenfarbiger Erde.

 

Der 1931 geborene Herman de Vries gibt eine tröstende Zukunftsaussicht; Am Ende unterliegt wieder alles den Gesetzen der Natur. Alles ist ewiges Werden und Fließen, alles folgt einer Ordnung, das Chaos löst sich auf, es gibt keinen Tod. „all ways to be to be ways to be to be“ steht mit Kohle auf der Wand des niederländischen Pavillons.

 

Den Link zur offiziellen Biennale-Seite mit Ausstellungen und Terminen finden ihr hier.

Die Zitate von Okwui Enwezor stammen aus dem Monopol Magazin, 05/ 2015 – Venedig -Special und der Frankfurter Rundschau.
Hier geht´s zum Interview mit Okwui Enwezor in der Frankfurter Rundschau: „Ich stelle Ideen aus, nicht Waren.“

 

56. Venedig Biennale 2015

in Kürze folgt Teil 2 : Arsenale

Fotos: © Ulrike Theusner