Eindrücke von der Venedig Biennale 2024 – Teil I

 

 

Venedig – „…eine Stadt, in deren Natur es liegt, die harten Dinge dieser Welt mit einem leichten, verschwimmenden Nebel zu überziehen, eine Stadt, die anstatt auf festem Boden auf 1400 Jahre alten Eichenpfählen ruht und stets nur zwei Mächten in der Welt untertan war: dem Meer und dem Reichtum.“ (Reinhardt Raffelt)

 

Der Blick von der Punta della Dogana

 

…und der internationalen Kunstwelt, die alle zwei Jahre in die Lagunenstadt einfällt und sie zu ihrem einzigartigen, allmählich versinkenden Spielplatz der Eitelkeiten macht – selbstverständlich geht es dabei auch um die Kunst.

 

Eine Zeichnung von Willem de Kooning, der mit einer großen Retrospektive in der Galleria dell´Accademia gefeiert wird.

 

Die Stadt löst in ihrem morbiden Charme eine unglaubliche Anziehungskraft aus und verzaubert jeden, der sie betritt und staunend durch die vergängliche Schönheit wandelt.

 

Der Markuslöwe ist Venedigs Wappentier und leitet sich von dem Evangelisten Markus ab, dem Schutzheiligen der Stadt.

 

Überall haben die Mauern Gesichter…

 

Hinter diesen Mauern verbirgt sich die Pinault Collection des französischen Sammlers Francois Pinault, der zu den einflussreichsten und wichtigsten Akteuren der Kunstwelt gehört. Früher war hier der Sitz der venezianischen Zollbehörde, vielleicht schaut das Gesicht deshalb so unbequem bangend drein.

 

…an jeder Ecke gibt es eine neue Entdeckung.

 

Detail am berühmten Dogenpalast. Wer ihn besuchen will, muss sich auf lange Wartezeiten gefasst machen.

 

… Reichtum, Pracht und Schönheit…

 

Die Ponte dei Sospiri verbindet den Dogenpalast und das Gefängnisgebäude. Der Abschied von der Freiheit entlockte den Gefangenen auf ihrem letzten Gang einen Seufzer, als sie über die kunstvolle Brücke schritten und durch die Fenster den Canal Grande schimmerten sahen – und so entstand der Name Seufzerbrücke.

 

… und Romantik!

 

Hier ein romantisches Fleckchen, ein Restaurant am Teatro La Fenice – übrigens ein guter Tip für ein gediegenes Dinner mit feinsten italienischen Speisen: Das Antico Martini.

 

Egal wo man hinsieht, man wird kaum eine Stelle in Venedig finden, die nicht den Zauber des Entrückten und Faszinierenden ausstrahlt.

 

Die berühmten Gondoliere am Canal Grande vererben ihre Zulassung oft, denn möchte man sie erwerben, muss man bis zu einer halbe Million Euro löhnen. So bleibt der Beruf oft viele Generationen in der Familie und wird würdevoll und mit voller Hingabe ausgeübt.

 

Vielleicht ist es ihrer Einmaligkeit, ihrer Unersetzbarkeit und ihrem unausweichlichen Schicksal zuzuschreiben, die Venedig zum Schauplatz der wichtigsten Kunstschau der Welt gemacht hat. Dieses Jahr feiert die Biennale d´Arte ihre 60. Ausgabe – und  jedes Jahr wird sie größer, ausgefallener weitläufiger mit all den begleitenden Veranstaltungen und Ausstellungen, die zeitgleich stattfinden.

 

Auf dem Preview der Giardini tummelt sich die Kunstwelt: man kommt hier nur mit einer Einladung rein, beispielsweise einer Presse-Akkreditierung oder der teuren Biennale Gold-Card.

 

Stranieri Ovunque – Fremde überall, lautet das Motto der diesjährigen Biennale. Die von Adriano Pedrosa kuratierte Hauptausstellung gibt vor allem Künstlern und Künstlerinnen aus dem globalen Süden einen Raum.
In den Länderpavillions läßt sich die thematische Tendenz einer Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit ablesen.

 

Auf dem Gelände der Arsenale, der ehemaligen Schiffswert der Seerepublik Venedig, die ihre Wurzeln im 12.Jahrhundert hat, findet ein großer Teil der Hauptausstellung statt.

 

Claire Fontaines Neon Sign Skulpturen „Foreigners Everywhere“

 

Besucher auf dem Gelände der Arsenale vor Lauren Halseys Skulpturen „Keepers of the Krown“.

 

Detail einer großformatigen Arbeit von Frieda Toranzo Jaeger, die 1988 in Mexiko geboren wurde und zwischen Mexico City und Berlin lebt und arbeitet.

 

Ein Aufruf und eine Botschaft finde ich auf der Rückseite ihres Werkes.

 

In den Stickereien der „Bordadoras de Isla Negra“, ein Gruppe chilenischer Textilkünstler, wird die Geschichte des täglichen Lebens in Chile zwischen 1967 bis 1980 erzählt.

 

Ein Besucher vor River Claure´s Installation“Warawar Wawa“.

 

Details aus einer Arbeit der 1944 geborenen australischen Künstlerin Marlene Gilson.

 

Ein Werk der in Nairobi lebenden Künstlerin Agnes Waruguru.

 

„Lluvia“, 2020, von Daniel Otera Torres.

 

Besucherinnen vor einer Arbeit von Dalton Paula.

 

In Bouchra Khalili´s Video-Installation beschreiben und zeigen Migranten ihre Fluchtwege nach Europa.

 

„Pret-a-Patria“ heisst die 2021 entstandene Arbeit der mexikanischen Künstlerin Barbara Sanchez-Kane, die sich in ihrem Werk mit Symbolen der Männlichkeit und Rollenbildern auseinandersetzt.

 

Violeta Quispe´s Arbeit „El matrimonio de la chola“, Peru, 2022.

 

Detail aus einer Arbeit des 1983 in Pakistan geborenen und in New York lebenden Künstlers Salman Toor.

 

Detail aus einer Arbeit von La Chola Poblete, Argentinien.

 

Ein Besucher vor den Arbeiten der 2008 verstorbenen Künstlerin Erica Rutherford.

 

Xiyadie, ein queerer Künstler aus China, setzt sich in seiner Arbeit mit der Ambivalenz gesellschaftlicher Normen, Tradition und sexueller Befreiung auseinander.

 

Rember Yahuarcani, geboren 1985 in Peru, gehört zum Aimeni Stamm am nördlichen Amazonas in Peru und nimmt in seiner Arbeit Bezug auf die Mythologie des Uitoto Volkes …

 

…ebenso wie Santiago Yahuarcani.

 

Eine Installation von Wang Shui.

 

Das laufkräftige Publikum legt an den Eröffnungstagen in Venedig gefühlt hundertzwanzig Kilometer zurück.

 

Ochirbold Ayurzanas Ausstellung mit dem Titel „Discovering the present from the future“ im Mongolischen Pavillon

 

Durch die engen Gassen des ruhigen Stadtteils Castello, der abseits der Touristenströme liegt, suche ich meinen Weg zu den Giardini. Hier hängt noch die Wäsche aus den Fenstern, auch wenn es jedes Jahr weniger wird. Die paar Leute, die sich hierher verirrt haben, sind Biennale Besucher. Man erkennt sie an ihren bunten Presse-Beuteln in denen kiloschwere Kataloge und Presseartikel liegen. Wie ich starren sie regelmäßig auf ihr Smartphone, um die richtige Brücke nicht zu verpassen im Labyrinth der Gassen.

 

 

Einen Einblick in einige Länderpavillions in den Giardini gibts im Blog Venedig Biennale 2024 Teil II.

 

 

Tipps zur Biennale und weitere Ausstellungen

 

  • Für die Biennale, die bis 24. November 2024 läuft, könnt ihr Tickets in den Ticketständen direkt vor den Giardini, der Arsenale oder im Biennale Büro kaufen, aber am besten ihr bestellt sie einfach online. Empfehlenswert ist das 3 -Tage -Ticket (um die 40,-) wenn ihr in Ruhe alles sehen wollt. Mit einem einfachen Ticket (um die 30,-) könnt ihr jeweils einmal in die Giardini und einmal in die Arsenale. Link zu den Tickets 

 

Kurz vor der Eröffnung sind die Ticketständer noch leer.

 

 

  • Ein Vaporetto braucht ihr nur, wenn ihr sehr weit vom Piazza San Marco entfernt wohnt, normalerweise kann man hier alles zu Fuß erlaufen. Ihr könnt euch dennoch eine Tageskarte (25 Euro) kaufen und den ganzen Tag die Boote nutzen, eine Fahrt auf dem Canal Grande ist ein wunderbares Ereignis, ebenso ein Ausflug zu den Laguneninseln. Wenn ihr Gondel fahren wollt ohne ein großes Budget, nehmt einfach ein Traghetto, eine Gondel-Fähre über den Canal Grande, dann könnt ihr auch eure Vaporetto Karte benutzen.

 

Eine Gondelfahrt ist ein schönes Erlebnis, an vielen Stellen findet ihr einen Gondel Service für eine private Tour.

 

 

 

Ein Blick auf den Canal Grande vom Palazzo Franchetti, in dem sich zur Zeit eine sehr sehenswerte Ausstellung mit Videoarbeiten befindet.

 

 

 

Eine Skulptur von Pierre Hueghe in der Pinault Collection.

 

 

 

„Poesie entsteht nicht aus einer Inspiration, sondern aus einem Ausatmen. Der Dichter ist nur das Werk von Kräften, die ihm innewohnen und die dem Gewissen und der Vernunft fremd sind(…)“ schreibt Cocteau in seiner Arbeit aus dem Jahr 1966.

 

 

Man spürt brachiale Gewalt und Sensibilität, beinah verletzlich wirkt das Werk der 84 jährigen Künstlerin.

 

 

Neben der Willem de Kooning Retrospektive könnt ihr viele alte Meister betrachten wie Tintoretto und Tiepolo, weshalb ihr unbedingt einen Blick reinwerfen solltet.

 

E per mangiare …

 

Lunch auf italienisch: Espresso und Krabben bei Da Paolo.

 

 

  • Das Antico Martini
    ist ziemlich edel aber lohnenswert, früher ein beliebter Künstlertreff der Avantgarde – ebenso wie heute. Vorher unbedingt reservieren.

 

  • Ristorante da Raffaele
    Rustikal mit wunderbarer italienischer Küche! Den Klassiker Spaghetti Vongole könnt ihr euch hier einmal schmecken lassen. Davor Schinken und Melone und danach : hausgemachtes Tiramisu. Reservieren ist immer gut, auf jedenfall wenn ihr mehr als zwei Leute seid.

 

  • Trattoria do Forni
    Beliebt bei der Kunstwelt, charmanter Chic und vorzügliches Essen! Unbedingt vorher reservieren.

 

  •  Einen Absacker in der Bar al Campanile
    Tagüber eine unscheinbare Snack-Café-Bar, und abends ist hier der Zirkus los, zumindest während der Eröffnungstage der Biennale. Zu später Stunde kann es dann passieren, dass einem hier Wim Wenders auf dem Bagno begegnet. 

 

  • Da Paolo
    Um den Kater zu vertreiben und sich für den Besuch der Arsenale zu stärken, kann man hier ein feines italienisches Lunch zu sich nehmen, einen Teller Linguine essen und einen vorzüglichen Espresso trinken – aber einen schlechten Espresso werdet ihr in Venedig ohnehin kaum finden.

 

  • Frühstück im Rosa Salva
    Auf dem Piazza direkt vor der Basilica dei Santi Giovanni e Paolo könnt ihr ein wunderbares kleines Frühstück zu euch nehmen, mit köstlichem kleinen Gebäck oder belegten Croissants und einem Cappuccino ( in Italien darf man den nur – und ausschliesslich – zum Frühstück trinken, alles andere ist ein Affront) und dabei die Tauben und Möwen beobachten. Ihr solltet dabei auf euer Frühstück achtgeben – die Möwen schnappen es euch hin und wieder direkt vom Teller weg. Von dort sind es übrigens nur wenige Meter zu den Vaporettos, die euch zur Toteninsel San Michele bringen. Oder nach Murano, der Laguneninsel, die berühmt ist für ihre weltbekannte Glaskunst und Burano, dem pittoresken Fischerdorf mit den bunten Häusern.

 

 

Textquelle:
Reinhardt Raffelts, Eine Reise nach Neapel, Prestel Verlag München 1957, 12. Auflage 1996, S. 84