KUNST – WOCHENENDE IN MÜNCHEN 26. – 28. JUNI 2015

Am 26. Juni startete das Kunst Wochenende in München. Von den neunzehn teilnehmenden Galerien habe ich nur zwei gesehen, denn der eigentliche Anlass meiner Reise war der Kongress „Stadt der Frauen“, die Auftaktveranstaltung der Festspielwerkstatt  an der Bayerischen Staatsoper.

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Am Bahnhof begrüßt mich zunächst der freundliche Buab mit einer leicht totalitären Geste.

Schaufensterpuppe in Bahnhofsnähe. Billig-Ramschläden ziehen mich magisch an und sind immer eine willkommene Inspirationsquelle.

 

Die traurige Plastepuppe an seiner Seite präsentiert Bayerns Identifikationstracht: was wäre München ohne das Dirndl.

Heidi



Was die bayerische Version von CHUCKY DIE MÖRDERPUPPE im Schilde führt möchte ich lieber nicht wissen …

Chucky

 

Ein extrem fies dreinschauender Jesus macht die Sache nicht besser.

Jesus und Maria



Auf der Strasse begegnen mir zum Glück nicht nur Horrorfilm-Requisiten, sondern auch ansehnliche Streetart, die an George Grosz erinnern lässt.

Streetart in der Schießstättstraße

 

„Müssma dann irgendeinem Museum geben…“

Freitag kurz nach acht  in der Ludwigstraße – ich habe Glück, zwei Galerien haben noch geöffnet. In der Galerie Knust zeigt Jonathan Meese „CHEFSACHE RICHARD WAGNER“. Neue Malereien, etliche Manifeste und ein Raum der von oben bis unten angemalt ist: „Chefsache Bayreuth – Maul auf (R)Evolution raus! „

„Wir sind überrascht von dieser Farbigkeit! Er wird ja langsam immer fröhlicher!“ stellt eine Besucherin begeistert fest.

 

„Kunst ist Chef!“ – Meese´s Manifest

 

Besucherin: „Und wie baut ihr dann wieder ab die Wände? Was macht ihr dann damit?!“ Galerist: „Ja keine Ahnung, müssma dann irgendeinem Museum geben…“

 

In der Galerie nebenan mit dem kryptisch-minimalistischen Namen  f5,6  sind Fotografien von Saul Leiter zu sehen. Neben den Arbeiten blieb mir sein ebenfalls ausgestelltes Zitat im Gedächtnis:

„I spend a good deal of my life being unnoticed. I was perfectly happy that way. Being unnoticed is a great privilege. 
To be an important person involves a great deal of effort. Quite often it´s not worth it. Many want to be rich, famous and successful. Me, I just wanted to be left in peace.“
Saul Leiter

Saul Leiter „POSTMEN, 1952“

 

Beim Schlendern durchs abendliche München entdecke ich, dass die Säulen der Staatsoper inzwischen fertig bespannt sind mit meinen Festpielzeichnungen. Ich bin so erfreut über diesen Anblick, dass ich meinen Blick nicht abwenden kann und mir im Restaurant  Spatenhaus direkt gegenüber eine riesige Portion aufgedunsener Schwammwürste mit Sauerkraut bestelle. Verliebt starre ich die Oper an während ich gedankenverloren auf den meterlangen Würsten herumkaue und über Saul Leiter´s Zitat nachsinne.

Wenn ihr mehr sehen davon wollt, klickt auf´s Bild…

STADT DER FRAUEN – EIN KONGRESS

 

Am nächsten Tag beginnen die Festspiel-Werkstätten mit dem Kongress: “ STADT DER FRAUEN“ benannt nach Fellini´s gleichnamiger, surrealer Komödie.

Alte Kongresshalle

 

Passend zum Spielzeit -Thema „Blicke, Küsse, Bisse“ beleuchten verschiedene Vorträge, Performances und Seminare die Geschlechterdebatte von der Antike über die Opernbühne bis zur gender correctness.

 

Holger aus München im Geisha Look besucht den Kongress

 

Eine mystische Performance von Manuela Hartel und Lenz Schuster eröffnet die Vortragsreihe.

Performance von Manuela Hartel und Lenz Schuster „Set Fire to Flames“

 

Klaus Theleweit stellt im Anschluss sein neues Buch „Buch der Königstöchter“ vor – eine Geschichte über die Verdrängung der mykenischen Kultur durch die Indogermanen. Die Entstehung der uns bekannten griechischen Mythologie basiere also auf einer Vergewaltigungsgeschichte von Königstöchtern. Er zeigt an etlichen Beispielen aus der Kunst der Renaissance und der Klassik Parallelen in der Eroberungspolitik europäischer Herrscher auf, die „unter dem Motto das Leben ist einfach schöner in mythologischer Ausgestaltung“ als Auftraggeber zunehmend Themen der griechischen Mythologie in die Kunstgeschichte eingehen lassen.

Klaus Theweleit liest aus dem „Buch der Königstöchter“


Mieke Bal stellt ihren Film „Madame Bovary“ vor, in dem sie die gelangweilte Frau Bovary vom Kostümdramaschmelz befreit, der ihrer Meinung nach die Geschichte verzerre und ihrer Aktualität beraube. Mit Slogans wie „Happiness comes with a price “ und „Emotional Capitalism“ holt sie Madame Bovary ins 21.Jhd. Ihr Problem sei am Ende ein immer wiederkehrendes: Gelangweilt und des Lebens überdrüssig versucht sie die innere Leere zu füllen, wenigstens mit der Idee von Liebe: „She was in love with idea of being in love“.

Mieke Bal „Long live Anachronism !“

Schließlich folgt ein Vortrag von Elisabeth Bronfen über die Kunst der Verführung, in der eine Parallele gezogen wird zwischen Mozarts Don Giovanni und Don Draper aus Madman. Die Performance des irritiert dreinblickenden, nackt anmutenden Herren im Publikum nimmt allerdings fast meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch und ich kann mich nur noch an den Schluss erinnern….


… die letzte Szene aus Madman, in der eine Horde gruseliger Hippies am kalifornischen Big Sur ein Loblied singen, alle mit einer Colaflasche in der Hand.

 

 

Den ganzen Tag bis tief in die Nacht finden Vorträge, Performances und Veranstaltungen statt. Freundliche Vertreter laufen mit Demonstrationskörbchen herum und preisen die Vorzüge der Muttermilch an und erläutern die fachgerechte Benutzung der Menstruations-Tasse, Chöre singen, riesige Plateauschuhe laufen durch die Hallen, Kakteen werden rasiert.






Ein netter Plasteherr in den frühen Morgenstunden

 

„Schöne Zähne für München“

In der U-Bahn geht die Geschlechterdebatte weiter. Mit einem strahlenden Lächeln in perlzähnigen Mündern wirbt ein Schönheits-Zahnarzt neue Kundinnen.


OHNMACHT – ANGST- STERBEN –  am Odeonslatz findet eine christlich motiviert Performance statt, die dazu auffordert angesichts dieser schlechten Zukunftsaussichten besser doch an Gott zu glauben.


Das Mädchen bleibt skeptisch.

Farbenfrohe Trachten…


treffen auf frommes Schwarz.


Ein Surfer stürzt sich in die Wellen…

…und ein Paar genießt die Ruhe vor dem Sturm. Die „Wiesn“ werden in wenigen Wochen wieder von unzähligen internationalen Alkoholleichen bevölkert sein.

Theresienwiese

 

Ich muß mich wieder beeilen, denn nun gehts ins Haus der Kunst zur Ausstellung „Geniale Dilletanten“.

LINKS:

In Kürze folgt Kunst-Wochende München Teil 2: Die Ausstellung „GENIALE DILLETANTEN“ im Haus der Kunst

Fotos: © Ulrike Theusner