„ART BRUT LIVE“ AUSSTELLUNG IM DOX PRAG 27. 3. – 17. 8. 2015

Im DOX, Zentrum für moderne Kunst in Prag, ist noch bis 17. August 2015 eine umfangreiche ART BRUT Ausstellung zu sehen mit einer Vielzahl beeindruckender Arbeiten aus der Sammlung Bruno Decharme. Die Kuratoren Ivana Brádková, Leoš Válka und Terezie Zemánková  zeigen u.a. Werke von Henry Darger, August Walla und Judith Scott.

00-darger-artbrut-dox-prague-theusner

Henry Darger

 

Der von Dubuffet geprägte Begriff „Art Brut“ – auch „Outsider Art“ – bedeutet unverbildete, „rohe“ Kunst. Ihre vielfältigen Erscheinungsformen von Malerei, Skulptur, Zeichnung  bis zu raumgreifenden Installationen und Land-Art verbindet durchgehend das Autodidaktische und Antiakademische. Viele Art Brut Künstler leiden unter psychischen Störungen oder einer geistigen Behinderung. Doch wäre es verfehlt Art Brut als „Kunst von Behinderten“ und die Arbeiten als exotische, seltsame Visionen von Geisteskranken abzutun. Es spielt keine Rolle, ob ein Künstler eine Behinderung hat oder nicht – am Ende geht es darum, dass uns ein Werk berührt, und das tun diese Arbeiten durchweg. Die ergreifende Ehrlichkeit und oft technische Perfektion der Art Brut Kunst ist meist sehr viel eindrucksvoller als die durchgestylten Markt-determinierten Werke vieler „Insider“ Künstler.

Der senegalesische Künstler Hassan lebt in Barcelona – auf der Straße. Er spricht selten und benutzt alte Wein-Kästen für seine Arbeiten, die aus einfachen geometrischen Formen und Architekturen bestehen.

 

Neben Zeichnungen von Voodoo – Göttern und Geistern schafft der 1973 geborene Haitianer Guyodo auch monumentale Skulpturen aus Autos und Trucks, die als politisches Statement funktionieren. Seine ganze Nachbarschaft hat er zusammen mit der Künstlergruppe „Atis Rezistans“ in ein lebendiges Museum verwandelt, mit Skulpturen in den engen Gassen, alles hergestellt aus gefunden Materialien.

 

Landschaft aus Fäden – Satoshi Morita, Japan.

 

Der 1929 geborene Karel Forman war Boxer, Bäcker und Busfahrer. In den 90er Jahren begann er, seine Wohnung mit diversen Fotos und Zeitungsausschnitten zu dekorieren, bis jeder Zentimeter der Wände mit Bildern beklebt war.

 

Karel Forman

 

1952 in Kanada geboren, begann Richard Greves gegen Ende der 80er Jahre seine „anarchitctures“ in den Wäldern von Quebec zu bauen. Verlassene Farmhäuser baut er zu seinen eigenen Konstruktionen um, die sich ganz und gar aus der eigenen Imagination ergeben, ohne Messgeräte und statische Beachtung, die Gesetze der Schwerkraft ignorierend – seine Häuser sehen aus, als könnten sie jeden Moment kollabieren.

 

Flugzeuge von Hans-Jörg Georgi: „Meine Kreationen, meine Flugzeuge sind wie ich…Ich wollte der Welt etwas Gutes zeigen. Ich nehme euch alle mit.“

 

Hans-Jörg Georgi

 

1892-1973 Der Amerikaner Henry Darger verlor froh seine Mutter und verbrachte seine Kindheit und Jugend in verschiedenen Heimen, aus denen der mit 17 Jahren floh. Kurz darauf begann er als Hausmeister in einem Chicagoer Krankenhaus zu arbeiten, wo er bis zu Rente 1963 blieb. Nachdem er ins Altenheim gezogen war, entdeckte man in seiner Wohnung eine 15.000 Blätter umfassende Saga fantastischer Zeichnungen. „The Story of the Vivian Girls“  – eine Arbeit, die er schon im Jahre 1911 begonnen hatte: Als „Captain Henry Darger“ hilft er den „Vivian Sisters“ im Kampf gegen die Erwachsenen-Armee, die Kinder quälen und töten. Im Musee d´Art Moderne in Paris sind seine Arbeiten übrigens in einer umfangreichen Ausstellung bis zum 11. Oktober 2015 zu sehen.

Henry Darger

 

Henry Darger

 

Henry Darger – oft sind Vorder- und Rückseite bemalt, so dass die Arbeit freischwebend im Raum ausgestellt wurde.

 

Im Shoppingwahn -Der 1973 geborene Japaner Yasuyuki Ueno ist besessen von Fashion, Luxus und Shopping. Er fühle sich wie eine Frau, und so seien auch die shoppenden Frauen auf seinen Zeichnungen eine Personifizierung seiner selbst.

 

Yasuyuki Ueno

 

Der Österreicher August Walla verlor früh seinen Vater und hatte zeitlebens eine sehr starke Bindung zu seiner Mutter. Er wurde mit Shizophrenie diagnostiziert und lebte  ab 1970 in der psychiatrischen Klinik in Gugging. In den 80er Jahren konzentrierte er sich zunehmend auf die Kunst und schaffte etliche Bilder und Wandmalereien mit mystischen und politischen Symbolen sowie mythologischen Figuren.

August Walla

 

August Walla

 

Die 1943 geborene Amerikanerin Judith Scott hatte das Down Syndrom. Bis zu ihrem Tod 2005 schaffte sie Skulpturen, die hauptsächlich aus mit Wolle umwickelten Gegenständen bestehen und heute weltweit Beachtung finden.

 

Schon als Kind schnitt der Niederländer José Johann Seinen (1934-2012) kleine Miniaturen aus und organisierte sie in themenbezogenen Gruppen. Sein ganzes Leben behielt er diese Arbeit bei und hatte so im Laufe der Jahre etliche Boxen mit unzähligen selbstgezeichneten Miniaturen angesammelt, die er in zahlreichen Briefumschlägen aufbewahrte. Die wertvollen Boxen landeten nach seinem Tod auf der Straße und wurden glücklicherweise von einem Antiquitäten-Händler entdeckt und gerettet.

 

José Johann Seinen

 

Koji Nishioka geboren 1970 in Osaka, Japan

 

Julius Bockelt, geboren 1983 in Frankfurt

 

„Für die Art Brut Künstler hat alles eine Bedeutung. Wirklich sprichwörtlich: Alles.
Art Brut zeigt uns die Komplexität dieser Welt. Sie hilft uns, zu verstehen, wie wir funktionieren, welche Systeme wir nutzen zur Orientierung – Zeit, Raum, die Grenzen des Körpers, Sprache etc. – Hilfsmittel, die uns helfen zu existieren, aber in Wirklichkeit nur rein künstliche Konstruktionen sind.“

Bruno Decharme

 

Zdenek Kosek: „Ich hatte keine Störung. Ich habe Ordnung geschaffen.“

 

Zdenek Kosek – „Ich war so aufmerksam und sensibel allen Dingen gegenüber, Ich nahm jedes kleine Detail wahr, jede Bewegung, jede Fliege, jeden Lichtstrahl. Ich habe Zeit und Ereignis aufgeschrieben. Ich frage mich, wie ich so überleben konnte. Aber ich weiss, dass meine geschriebenen und gezeichneten Diagramme mein Leben gerettet haben.“

 

Auf tausenden von Polaroids, die an den Rändern dicht beschrieben sind, hielt der 1937 in Köln geborene Horst Ademeit seine täglichen Beobachtungen fest.

 

Der 1956 geborene Neuseeländer Martin Thompson will das Chaos in einem grafischen System neu ordnen. Er arbeitet immer auf Millimeterpapier und schafft dabei Paare, deren Negaitv-Positiv Räume identisch sind.

 

Noriko Tanaka

 

„Art Brut lehrt uns, dass es keine Wahrheit gibt, keine Gewissheit, nur Versuche, dem Nichts zu entgehen.“

Bruno Decharme

Veijo Ronkkönen (1944-2011), Finnland

 

Veijo Ronkkönen (1944-2011), Finnland

 

Elis Sinistö, Finnland

 

Elis Sinistö, Finnland

„Das Lebendige an der ART BRUT ist ihr Widerstand gegen die bestehende Ordnung und Konventionen. Ich finde diese Unverbesserlichkeit faszinierend.“

Mario Del Curto

Barbara Massarat, fotografiert von Mario Del Curto

 

André Robbillard, fotografiert von Mario Del Curto

LINKS

 

Photos © Ulrike Theusner, 2015